Robert Scheidt im Laser

EM der 49er, 49erFX und Nacra17 vor Kiel

23.05.2017

Star-Alarm zur EM der Skiffs und Kats
Olympischer Glanz im Olympiazentrum von Schilksee: Rund ein Jahr nach den Olympischen Spielen von Rio werden die Europameisterschaften der 49er, 49erFX sowie Nacra17 vom 27. Juli bis 4. August vor Kiel zum Treffpunkt der Segel-Superstars. Schon früh gingen die ersten Meldungen in den Klassen ein, und prominente Namen aus Übersee zieren bereits die Listen. Sie werden sicherlich für weitere Sogwirkung sorgen, so dass die Meisterschaften zu einem großen Event im Kieler Kalender werden.

Mit dem Selbstbewusstsein des Olympiasieges von 2016 im 49erFX reisen die Brasilianerinnen Martine Grael/Kahena Kunze nach Kiel. In einem hochspannenden Finale sicherten sich die Tochter von Doppel-Olympiasieger Torben Grael und ihre Partnerin im vergangenen Jahr die Goldmedaille in ihrem Heimatland. Bei den Weltmeisterschaften seit 2013 räumten sie zweimal Silber und einmal Gold ab und wurden 2014 zu den Weltseglerinnen des Jahres gekürt. Damit ist Martine Grael schon lange mehr als die Tochter von Torben Grael, hat inzwischen selbst den Status eines Segel-Superstars in ihrer Heimat inne. Sie wird damit ein starker Gradmesser für die deutschen Crews. Mit den Kieler-Woche-Vorjahressiegerinnen Tina Lutz/Susann Beucke (Bergen/Kiel), den Olympia-9. von Rio, Victoria Jurczol/Anika Lorenz (Berlin/Gold vor Palma und Silber in Hyères) und den Kielern Schwestern Jule und Lotta Görge, die sich im vergangenen Jahr um ihr Studium gekümmert haben, aber im Sommer wieder dabei sein werden, sind drei Crews am Start, die bei der Kieler Woche vorn mitmischen können.

Auch bei den Skiff-Männern wird Brasilien eine wichtige Rolle spielen. Robert Scheidt, fünfmaliger Olympia-Medaillengewinner im Laser und Starboot (darunter zweimal Gold im Laser), hat zu dieser Saison das Boot gewechselt und will mit seinem Vorschoter Gabriel Borges nun im 49er angreifen. Anfang des Jahres musste das Duo noch am Bootshandling arbeiten, doch Scheidt ist zuzutrauen, dass er sich in kurzer Zeit an das Weltniveau im Skiff heranarbeitet. Und der 44-Jährige hat einen erfahrenen Skiff-Segler an seiner Seite. Borges segelte bei Olympia 2016 noch mit Marco Grael, einem weiteren Spross von Torben Grael, und landete dort auf Rang elf. Auch Grael hat für Kiel gemeldet, wird dort mit seinem neuen Partner Carles Robles segeln. Allein dieses Aufeinandertreffen dürfte also die Rennen elektrifizieren.

Den Wettstreit mit Robert Scheidt empfindet auch der Kieler Justus Schmidt als besondere Herausforderung: „Scheidt ist eine Legende. Dass sich jemand mit seinem Background, aber auch in seinem Alter in die Klasse wagt, ist großartig. Wie er sich schlägt, werden wir sehen, denn die athletische Komponente ist im 49er schon sehr hoch zu gewichten. Aber Scheidt ist ein unfassbar harter Arbeiter. Wenn es jemand schafft, dann sicherlich er“, sagt Schmidt, Europameister von 2015, der mit seinem Partner Max Boehme seit dem Sommer vergangenes Jahr keine 49er-Regatta mehr gesegelt ist. Stattdessen stand das Studium im Vordergrund: „In den letzten sechs Jahren sind wir fast ununterbrochen 49er gesegelt. Jetzt haben wir ein zweites Spielfeld aufgemacht, das uns fordert und unseren Horizont erweitert. Darüber sind wir sehr glücklich“, sagt Schmidt. Zur Kieler Woche will das Duo aus dem Immac-Sailing Team, das im Vorjahr nur den späteren Olympiasiegern Peter Burling/Blair Tuke (Neuseeland) den Vorrang lassen musste, erstmals wieder an den Start gehen. Bis dahin stehen einige gemeinsame Trainingslager, aber auch Solo-Segelzeiten auf der Motte an. „Die Motte macht riesigen Spaß. Sie hat aber auch ihre Rechtfertigung. Die Neuseeländer und Australier haben gezeigt, wie viel Motte-Segeln auch für den 49er bringt.“

Zur Europameisterschaft werden Schmidt/Boehme wohl die großen deutschen Hoffnungsträger sein, da Olympiasegler Erik Heil zu diesem Zeitpunkt in einem GC32-Projekt gebunden ist. „Ich bin gespannt auf die EM. Das wird sportlich ein sehr hoher Anspruch, und wir werden sicherlich mit etwas gedämpften Erwartungen antreten. Aber wir haben immer unglaublich viel Spaß vor Kiel. Die beiden letzten Kieler Wochen waren einfach großartig, mit einer unglaublichen medialen Aufmerksamkeit. Es wird interessant, wie das nun zur EM sein wird“, sagt Justus Schmidt.

Star-Alarm erklingt auch bei den Nacra17. Die Silbermedaillengewinner von Rio, Jason Waterhouse/Lisa Darmanin, führen das Feld der Mixed-Kat-Segler an. Die Australier werden sich unter anderem mit dem Ex-Europameister Ben Saxton auseinandersetzen müssen. Der Brite bastelt nach den nicht optimal verlaufenen Olympischen Spielen (Platz neun) an einer neuen Teamzusammensetzung.

Spannend wird bei den Nacras auf jeden Fall, wie der Umstieg auf die neue Variante des Kats gelingt. Mit den Z-Foils wird der Nacra17 zum Voll-Foiler, und die EM wird das erste offizielle Event in dieser neuen Dimension. Seit vergangenen Herbst haben die Teams immer mal wieder Gelegenheit, die Kats mit den neuen Foils zu testen. Und die ersten Segelstunden versprechen vor Kiel eine aufregende EM. „Ich bin absolut begeistert von dem Boot. Da haben sich wirklich kluge Köpfe mit auseinandergesetzt“, sagt Paul Kohlhoff. Der Kieler Olympia-Segler hatte die Chance, den Nacra17 in Holland zu testen und sagt spektakulären Sport voraus: „Downwind hebt der Kat bereits bei rund sieben Knoten Wind ab, und auf der Kreuz braucht es nicht wesentlich mehr. Es wird nun eine Frage der Technik sein, wie gut das Boot zu beherrschen ist. Bisher bin ich nur bei Flachwasser gesegelt. Ich denke, dass wir wohl bald einige Teams sehen werden, die eine Halse durchfoilen. Andererseits wird es zur EM auch viele spektakuläre und von außen betrachtet waghalsige Manöver geben, da die Vorbereitungszeit sehr kurz ist. Mit einer Woche Training ist das nicht getan.“ Doch viel mehr Trainingstage werden viele Teams wohl gar nicht bekommen, da die neuen Boote bzw. die Umbau-Kits nur nach und nach ausgeliefert werden.

Paul Kohlhoff steht zudem vor einem weiteren Neuanfang: Nach der Trennung von Olympia-Partnerin Carolina Werner segelt er mit der 23-jährigen Luisa Krüger zusammen. Die Hamburgerin stieg von der Europe auf den foilenden Kat.

Doch viel Zeit zur gemeinsamen Vorbereitung wird es für das neue Duo nicht geben, denn vorerst steht für Paul Kohlhoff die Teilnahme am Red Bull Youth America’s Cup im Mittelpunkt. „Wir reisen in den kommenden Wochen nach Bermudas und werden dort in den ersten Trainings sehen, wie gut wir aufgestellt sind. Wir haben alle unsere Hausaufgaben gemacht, und in unserem Team steckt super viel Potenzial und Talent. Aber die anderen Mannschaften hatten alle mehr Möglichkeiten zur Vorbereitung. Deshalb werden wir abwarten müssen, was in Bermudas möglich ist. Aber ich denke, dass die Teilnahme am Youth America’s Cup auch für die Nacra-Kampagne wertvoll sein kann.

Aktuell zählt jede Minute auf Foils, deshalb bin ich im Winter auch viel auf Motten gesegelt und habe die Chancen auf den GC32 genutzt“, berichtet Paul Kohlhoff. „Nach dem Youth America’s Cup gilt dann die ganze Konzentration Tokio 2020. Dafür werden wir kompromisslos voll durchziehen. Deshalb freue ich mich auf die EM in Kiel – unser erstes Event auf dem foilenden Nacra.“ Ralf Abratis