Boris Herrmann als erster Deutscher solo auf IMOCA Open 60 über den Atlantik

Boris Herrmann als erster Deutscher solo auf IMOCA Open 60 über den Atlantik

 

Hochseesegelklassiker von Saint-Malo nach Guadeloupe

 

Hochseesegler Boris Herrmann wird einmal mehr Geschichte schreiben: Als erster Deutscher überhaupt nimmt der 37-Jährige in der IMOCA-Klasse auf einer 18 Meter langen Open-60-Yacht an einer Solo-Transatlantikregatta teil. Mit dem Hightech-Racer „Malizia Yacht Club de Monaco“ startet der Hamburger am Sonntag, dem 4. November, in Frankreich bei der legendären Route du Rhum. Das international hoch angesehene Segelrennen führt von Saint-Malo in der Bretagne nach Guadeloupe in der Karibik. Für die 3.542 Seemeilen, das sind rund 6.660 Kilometer, werden etwa zwölf Tage benötigt. Für Herrmann, der bereits dreimal die Welt umsegelt hat, ist es ein Meilenstein auf dem Weg zur Vendée Globe 2020/21, der härtesten Einhand-Regatta nonstop rund um den Globus.

 

„Spannung und Vorfreude steigen Tag für Tag, obwohl es keinen Grund gibt, nervös zu werden“, sagt Boris Herrmann vor seinem nächsten großen Abenteuer. „Natürlich möchte ich vorne mitsegeln, auch wenn die Top-Favoriten andere sind“, so der Skipper, „ich fühle mich sehr gut vorbereitet und schätze das Potential des Boots hoch ein.“ In den vergangenen Wochen hatte der norddeutsche Vollprofi von Port-La-Forêt in der Südbretagne aus mit den besten Kontrahenten trainiert und musste den direkten Vergleich nicht scheuen.

Die „Malizia“ ist mit modernen Foils (Tragflächen) ausgerüstet, auf denen sie bei frischem Wind schräg von hinten halb aus dem Wasser gehoben wird und „im Flug“ Höchstgeschwindigkeiten von gut 25 Knoten (fast 50 km/h) erreicht. „Bei idealen Bedingungen habe ich die Grenzen des Foilens getestet und mein Vertrauen in die Rennyacht gestärkt“, berichtet der geborene Oldenburger, aber Ziel Nummer eins bleibe zunächst, heil in Pointe-à-Pitre anzukommen. Er sei ein eher konservativer Segler, der hohe Risiken auf dem Wasser vermeide. Herrmann: „Ich taste mich vorsichtig an die Limits heran.“

In der IMOCA-Klasse gehen die 20 besten Open-60-Segler der Welt aus sechs Nationen an den Start. Hoch gehandelt werden die Lokalmatadoren Jérémie Beyou (42) mit der brandneuen „Charal“, die auf ihren Foils sogar vollständig abheben kann, und Yann Elies (44) auf der „UCAR-StMichel“, aber auch Paul Meilhat (36) auf der älteren „SMA“ ohne Tragflächen sowie der „ewige Zweite“ Alex Thomsen aus Großbritannien mit der „Hugo Boss“. Mit dessen Landsmännin Sam Davies (44/“Initiatives-Coeur“), Alexia Barrier aus Frankreich (38/“4myplanet“) und der Deutsch-Französin Isabelle Joschke (41/“Monin“) sind drei Frauen dabei.

Die alle vier Jahre stattfindende Route du Rhum ist eines der größten Sportereignisse Frankreichs. Es zieht über zwei Wochen weit mehr als zwei Millionen Besucher nach Saint-Malo. Der Start am Sonntag um 14 Uhr wird live im französischen Fernsehen übertragen. Mehrere hunderttausend Zuschauer verfolgen ihn vor Ort entlang an der bretonischen Küste, wo die Regattaleitung einen Kurs zunächst dicht unter Land ausgelegt hat, der für spektakuläre Bilder sorgen dürfte. Aufgrund der aktuellen Tide werden die Teilnehmer bereits mitten in der Nacht vor dem Start aus dem Hafen auslaufen müssen.

„Das gibt eine unvergleichliche, hochmotivierende Atmosphäre“, ist sich Boris Herrmann sicher. Er konzentriere sich in den letzten Tagen vor der Start nur aufs Wesentliche und vermeide die typische Hektik vor solchen Rennen. Der persönliche Energiehaushalt mit cleverem Schlafmanagement und Aufbereitung der gefriergetrockneten Mahlzeiten entscheidet unterwegs genauso mit über den Ausgang wie die Navigation auf Basis ständiger Beobachtung der Wetterentwicklungen. Auf dem ersten Teil der Strecke ist durchaus mit westlichen Herbststürmen zu rechnen, während danach die beste Strategie links oder rechts um den Kern des Azoren-Hochdruckgebiets herum gefragt sein wird. Auch die Ansteuerung von Guadeloupe von Osten noch einmal oben um den Archipel herum bis zur Ziellinie gilt als taktisch ausgesprochen anspruchsvoll.

Kurzfristigen Erfolgsdruck spüre er, Herrmann, wenig. Schließlich sei die Kampagne vom Yacht Club de Monaco (YCM) bis zur Vendée Globe als Fokus gesichert. Der YCM mit Vizepräsident Pierre Casiraghi aus dem Fürstenhaus, ältester Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco, unterstützt den Deutschen maßgeblich. Die Segelfreunde bestreiten auch gemeinsame Rennen und wollen nächstes Jahr zu zweit an der Transat Jacques Vabre teilnehmen.

Ende Juli war Pierre Casiraghi in Hamburg zu Gast, nachdem Boris Herrmann mit einer fünfköpfigen Crew vom Norddeutschen Regatta Verein (NRV) die Atlantic Anniversary Regatta zum 125. NRV-Jubiläum von Bermuda in die Hansestadt als schnellstes Schiff gewonnen hatte. Dort wurde auch das Projekt Malizia Ocean Challenge vorgestellt, mit dem sich das Team im Meeresschutz engagiert. An Bord werden vor allem auch im Wettkampf wertvolle Daten für den Klimaschutz gesammelt, die einem weltweiten Netzwerk an Wissenschaftlern zur Verfügung stehen. Dazu wurde in Kiel ein Messsystem installiert, das unter anderem den Kohlendioxidgehalt des Meerwassers misst.

Parallel zum wissenschaftlichen Teil gibt es einen pädagogischen, in dem Schülerinnen und Schüler für Themen wie Klimawandel und Schutz der Ozeane sensibilisiert werden. Unter Federführung der Hamburger Lehrerin Birte Lorenzen haben bereits Kinder in Deutschland, Frankreich, Monaco und Bermuda teilgenommen. „Als Hochseeregattaprofi will ich mehr tun, als einfach nur so schnell wie möglich von A nach B zu segeln“, begründet Boris Herrmann sein Engagement für die Malizia Ocean Challenge.